Gut zu wissen

Die jährliche Hauptinspektion von Spielplätzen – Rechtliche Pflicht in der Schweiz?

Immer wieder werden wir gefragt, ob es eine «gesetzliche Pflicht» für die Inspektionen gibt. In Zusammenarbeit mit der Kanzlei im Turm AG aus Winterthur geben wir Auskunft über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Inspektion und Wartung von öffentlich zugänglichen Spielplätzen in der Schweiz.
01.09.2025

Die Kernfrage: Gibt es eine gesetzliche Pflicht zur Hauptinspektion?

In der Schweiz existiert kein spezifisches Gesetz, das eine jährliche Hauptinspektion von Spielplätzen explizit vorschreibt. Die Verpflichtung ergibt sich jedoch indirekt aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Eigentümers, die in der Werkeigentümerhaftung verankert ist.

Die rechtliche Grundlage: Werkeigentümerhaftung (Art. 58 Obligationenrecht)

Der Eigentümer eines "Werks" (z. B. ein Gebäude oder ein Spielplatz) haftet für Schäden, die durch dessen fehlerhafte Anlage oder mangelhaften Unterhalt entstehen.

  • Was bedeutet das für Spielplätze? Ein Spielplatz muss so geplant, erstellt und unterhalten werden, dass er bei normaler Benutzung keine Gefahr darstellt.
  • Haftung bei Unfällen: Ereignet sich ein Unfall aufgrund eines Mangels am Spielgerät (z.B. morsche Holzbalken, defekte Ketten), haftet der Werkeigentümer (z.B. die Gemeinde, Schule, Stockwerkeigentümergemeinschaft).
  • Beweislast: Im Schadensfall liegt die Beweislast für die Mangelhaftigkeit bzw. Mangelfreiheit zwar nicht beim Werkeigentümer, aber eine gute Dokumentation und namentlich ein sofortiger Nachweis, dass der Werkeigentümer alle zumutbaren und erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, hilft der Gefahr einer Beurteilung als «mangelhaft» früh und entschieden entgegenzutreten.

Der Massstab für Sicherheit: Die Norm SN EN 1176

Obwohl technische Normen rechtlich nicht verbindlich sind, definieren sie in der Gerichtspraxis de facto meist den anerkannten "Stand der Technik". Gerichte werden die Norm SN EN 1176 ("Spielplatzgeräte und Spielplatzböden") namentlich häufig als Massstab heranziehen, um zu beurteilen, ob ein Spielplatz sicher ist und der Eigentümer seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist.


Die Norm SN EN 1176-7 regelt die Inspektion und Wartung und unterscheidet drei Arten von Kontrollen:

Die jährliche Hauptinspektion: Unerlässlich für den Sicherheitsnachweis

Die Hauptinspektion ist die detaillierteste Prüfung und dient dazu, die allgemeine Sicherheit des Spielplatzes zu bewerten.

  • Zweck: Feststellung von Verschleiss, Mängeln und potenziellen Gefahren, die bei den Routinekontrollen, auch Sichtkontrollen genannt, nicht ersichtlich sind.
  • Anforderung: Diese Inspektion muss zwingend von einer sachkundigen Person (z.B. eine zertifizierte Fachkraft für Spielplatzsicherheit) durchgeführt werden.
  • Dokumentation: Eine lückenlose Dokumentation aller Inspektionen und der daraus resultierenden Wartungsarbeiten ist entscheidend. Sie dient als Beweismittel, dass der Eigentümer seiner Verantwortung nachgekommen ist.

Fazit: Eine rechtliche Verpflichtung "de facto"

Obwohl die jährliche Hauptinspektion nicht direkt per Gesetz vorgeschrieben ist, stellt sie eine faktische Verpflichtung für jeden Spielplatzeigentümer dar.
Nur durch die regelmässige, fachmännische Überprüfung und deren lückenlose Dokumentation gemäss der Norm SN EN 1176 kann ein Eigentümer im Schadenfall nachweisen, seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen zu sein und so das hohe Haftungsrisiko minimieren. Das Ignorieren dieser Norm wird im Streitfall als grobe Fahrlässigkeit ausgelegt.

Empfehlung der BFU: Die BFU empfiehlt dringend, Spielplätze gemäss den Vorgaben der Norm SN EN 1176 zu inspizieren und zu warten. Dies schützt nicht nur die spielenden Kinder, sondern auch deren Eigentümer vor rechtlichen und finanziellen Konsequenzen.

****

RA Urs Hofer und Lea Klauser, Kanzlei im Turm AG, Winterthur

Gerne lassen wir Ihnen den ausführlichen Fachbeitrag per E-Mail zukommen. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

Begriffserklärungen

EN 1176
Die Normenreihe SN EN 1176 ist der massgebliche europäische Standard für Spielplatzgeräte und Spielplatzböden. Sie legt detaillierte sicherheitstechnische Anforderungen an die Konstruktion, Installation, Inspektion und Wartung von Spielgeräten im öffentlichen Raum fest. Ihre Einhaltung ist entscheidend für die Gewährleistung der Sicherheit. Als Europäische Norm (EN) gilt die EN 1176 in allen 34 Mitgliedsländern des Europäischen Komitees für Normung (CEN). Die Bezeichnung "SN EN 1176" ist ein standardisiertes Verfahren, das die Übernahme einer Europäischen Norm in das nationale Normenwerk anzeigt. Die Buchstaben stehen für: SN: Schweizer Norm und EN: Europäische Norm.
Dokumentation
Die Dokumentation umfasst alle schriftlichen Unterlagen, die für einen Spielplatz relevant sind. Dazu gehören Montageanleitungen, der Inspektionsplan, alle Inspektions- und Wartungsberichte sowie Nachweise über durchgeführte Reparaturen. Eine lückenlose Dokumentation ist für den Betreiber ein entscheidender Nachweis seiner Sorgfaltspflicht.
Spielplatzkontrolle
Spielplatzkontrolle ist ein Überbegriff für alle Formen der systematischen Überprüfung eines Spielplatzes zur Identifizierung von Mängeln und Gefahren. Man unterscheidet zwischen der visuellen Routine-Inspektion (Sichtkontrolle), der operativen Inspektion (Funktionskontrolle) und der jährlichen Hauptinspektion.
Inspektion
Inspektion ist der Überbegriff für alle Formen der systematischen Überprüfung eines Spielplatzes zur Identifizierung von Mängeln und Gefahren. Man unterscheidet zwischen der visuellen Routine-Inspektion, der operativen Inspektion und der jährlichen Hauptinspektion.
Sicherheitsmanagement
Das Sicherheitsmanagement ist das umfassende, strategische System eines Betreibers zur Gewährleistung der Spielplatzsicherheit über den gesamten Lebenszyklus. Es umfasst Planung, Installation, den Inspektionsplan, Wartung, Reparaturen, die Schulung von Personal und die lückenlose Dokumentation.
Visuelle Routine-Inspektion
Die visuelle Routine-Inspektion, auch Sichtkontrolle genannt, ist eine häufig durchgeführte (z.B. tägliche oder wöchentliche) Kontrolle zur Feststellung offensichtlicher Gefahrenquellen. Sie dient der schnellen Erkennung von Vandalismus, Verunreinigungen oder leicht erkennbaren Schäden. Sie kann in der Regel durch geschultes Personal vor Ort (z.B. Hauswart) erfolgen.
Werkeigentümer
Der Werkeigentümer ist die juristische oder natürliche Person, der ein "Werk" gehört. Als Werk gilt ein stabiler, künstlich hergestellter und mit dem Erdboden direkt oder indirekt verbundener Gegenstand, wie zum Beispiel ein Gebäude, eine Strasse oder eben ein Spielplatz. Gemäss Artikel 58 des Schweizer Obligationenrechts (OR) haftet der Werkeigentümer für Schäden, die durch eine fehlerhafte Anlage, Herstellung oder mangelhaften Unterhalt seines Werkes entstehen. Diese sogenannte Kausalhaftung gilt auch dann, wenn den Eigentümer kein persönliches Verschulden trifft.
Bfu
Die BFU (Beratungsstelle für Unfallverhütung) ist das Schweizer Kompetenzzentrum für Unfallprävention. Sie publiziert massgebliche Fachbroschüren, Checklisten und Richtlinien zur Sicherheit von Spielplätzen. Ihre Empfehlungen gelten in der Schweiz als anerkannter Stand der Technik.
Betreiber
Der Betreiber ist die natürliche oder juristische Person, die für den sicheren Betrieb und die Instandhaltung des Spielplatzes verantwortlich ist (Werkeigentümer). Dies können Gemeinden, Schulen, Stockwerkeigentümergemeinschaften oder andere private Eigentümer sein. Der Betreiber trägt die rechtliche Verantwortung, die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten.
Hauptinspektion
Die jährliche Hauptinspektion ist die umfassendste Prüfung der gesamten Spielanlage. Sie dient der Feststellung des allgemeinen betriebssicheren Zustandes und überprüft auch Fundamente, Verschleiss und die Auswirkungen der Witterung. Diese Inspektion muss von einem qualifizierten Spielplatzprüfer durchgeführt werden.
Inspektionsbericht
Der Inspektionsbericht, auch Prüfbericht genannt, ist die schriftliche Ergebnissicherung einer durchgeführten Inspektion. Er dokumentiert den Zustand der Anlage, listet festgestellte Mängel auf und formuliert Empfehlungen für notwendige Massnahmen. Der Aufbau und Umfang eines Berichts einer Jaheshauptinspektion ist in der Norm DIN 79161-1 detailliert festgehalten. Prüfberichte sind mind. 5 Jahre aufzubewahren.
Operative Inspektion
Die operative Inspektion ist eine detaillierte Kontrolle, die in regelmässigen Abständen (z.B. alle 1-3 Monate) durchgeführt wird. Im Gegensatz zur reinen Sichtkontrolle, auch visuelle Inspektion genannt, umfasst sie auch funktionelle Tests zur Überprüfung der Stabilität und des Verschleisses von Bauteilen. Ein Synonym für die operative Inspektion ist Funktionskontrolle.
SVSS
Die SVSS ist die Schweizerische Vereinigung für die Sicherheit auf Sport- und Freizeitanlagen. Es handelt sich um eine Fachorganisation, die sich der Förderung eines angemessenen Sicherheitsniveaus auf Anlagen wie Spielplätzen, in Turnhallen oder auf Sportfeldern verschrieben hat. Die SVSS engagiert sich in der Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal, wie zum Beispiel qualifizierten Spielplatzprüfern, und arbeitet eng mit der bfu zusammen, um Richtlinien und Empfehlungen für die Praxis zu erarbeiten.
Knowhow
Hauptinspektion

Ihr jährliches Sicherheitsupdate

Die jährliche Hauptinspektion ist mehr als eine Routinekontrolle – sie ist ein wesentlicher Baustein für die Sicherheit und den langfristigen Werterhalt Ihrer Spiel-, Sport- und Fitnessanlage. Unsere qualifizierten Prüfer nehmen Ihre Anlagen gemäss SN EN 1176, 1177, 16630, 12572 u.a. genau unter die Lupe, um potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und geeignete Massnahmen in die Wege zu leiten.