
In unserem letzten Beitrag, "Sichtkontrolle: Bitte mit Augenmass!", haben wir beleuchtet, wie wichtig die regelmässige visuelle Überprüfung eines Spielplatzes ist, um offensichtliche Gefahren zu erkennen. Wir haben auch klargestellt, was sie nicht ist: eine Prüfung der Stabilität und Funktionstüchtigkeit. Genau hier setzt die nächste, unerlässliche Stufe des Sicherheitsmanagements an: die operative Inspektion, auch Funktionskontrolle genannt. Und diese ist, wie der Titel schon andeutet, weit mehr als nur ein kurzer Blick. Sie ist ein geplanter, handfester Kraftakt.
Vom Sehen zum Fühlen: Was ist die operative Funktionskontrolle?
Während die Sichtkontrolle die Augen des Prüfers fordert, verlangt die Funktionskontrolle dessen Hände und Körpereinsatz. Gemäss der Norm SN EN 1176 (Teil 7) handelt es sich um eine «detailliertere Inspektion zur Überprüfung des Betriebs und der Stabilität» der Spielgeräte.
Das Ziel ist es, Verschleiss und Mängel aufzudecken, die sich im Verborgenen entwickeln. Es geht um Materialermüdung, beginnende Korrosion, ausgeschlagene Lager und gelockerte Verbindungen – Gefahren, die für das blosse Auge oft unsichtbar sind, aber ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Diese Inspektion wird in der Regel alle ein bis drei Monate durchgeführt und schliesst die Lücke zwischen der täglichen Sichtung und der grossen jährlichen Hauptinspektion.
Der „Kraftakt“ im Detail: Prüfung von Stabilität, Verschleiss und Funktion
Während die Sichtkontrolle das Offensichtliche erfasst, geht die operative Inspektion in die Tiefe. Sie ist der handfeste Teil der Sicherheitsüberprüfung, bei dem der Prüfer nicht nur schaut, sondern gezielt mit den Geräten interagiert. Unter Einsatz des eigenen Körpergewichts und dosierter Kraft werden die drei entscheidenden Säulen der Gerätesicherheit geprüft: Stabilität, Verschleiss und Funktionsfähigkeit.
Die folgende Gliederung zeigt, wie aus einer Checkliste ein praktischer, physischer Test wird:
A. Prüfung der Stabilität und konstruktiven Festigkeit
Hier geht es um das Fundament der Sicherheit. Der Prüfer testet, ob die gesamte Konstruktion den Belastungen des Spielbetriebs noch gewachsen ist.
- Die Rüttelprobe: An tragenden Standpfosten und Konstruktionsteilen wird kräftig gerüttelt und gedrückt. Gibt die Struktur nach oder zeigt sie unerwartete Bewegung?
- Belastungstest: Verbindungen von Spielkombinationen werden begangen und mit dem Körpergewicht belastet, um die Festigkeit zu spüren. Auch an Rutschbahnen wird gerüttelt, um die Stabilität der Verankerung zu prüfen.
- Verbindungen: Alle kritischen Schraubverbindungen werden auf ihren festen Sitz kontrolliert. Zudem wird von Hand die Befestigung sämtlicher Klettergriffe überprüft.
B. Prüfung auf Verschleiss und Materialzustand
Jedes Material altert durch Witterung und Nutzung. Diese Prüfung zielt darauf ab, Materialermüdung zu erkennen, bevor sie zum Bruch führt.
- Metalle: Bewegliche Teile wie Ketten, Gelenke und Aufhängungen werden auf übermässigen Verschleiss (z.B. Abrieb von Kettengliedern) und Korrosion untersucht.
- Holz: Oberflächen werden auf Risse, gefährliche Splitter und den Zustand des Holzschutzes (Lasur) geprüft. Durch Abklopfen oder Sondieren wird gezielt nach verdeckter Vermorschung oder Fäulnis gesucht.
- Kunststoff & Gummi: Teile werden auf ihre Elastizität geprüft. Sind sie brüchig, rissig oder durch UV-Strahlung verhärtet? Auch die Oberflächen von Rutschen werden auf Beschädigungen und intakte Verbindungen kontrolliert.
- Seile & Netze: Der Zustand und die Abnutzung von Kletternetzen, Seilen und deren Verbindungsstellen werden genauestens inspiziert.
C. Prüfung der Funktionsfähigkeit
Ein Gerät muss nicht nur stabil sein, sondern auch so funktionieren, wie es vom Hersteller vorgesehen ist – reibungslos und ohne unvorhergesehene Gefahren.
- Dynamische Tests: Schaukelkörbe und -sitze werden angehoben, fallen gelassen und stark in Schwingung versetzt, um das Verhalten der Aufhängung und Gelenke zu testen. Ein Karussell wird von Hand stark beschleunigt, um die Leichtgängigkeit und Stabilität des Lagers zu prüfen.
- Funktionstests: Sprungflächen, z.B. bei Federwippern, werden begangen und durch Wippen auf ihre Funktion getestet. Es wird geprüft, ob Lager von Wippen und Karussells rund laufen oder ob sie knirschen und zu viel Spiel haben.
D. Prüfung des Fallschutzes
Der beste Schutz ist nutzlos, wenn der Boden darunter seine Wirkung verloren hat.
- Zustand und Schichtdicke: Bei losem Material wie Holzschnitzeln wird die Schichtdicke an kritischen Stellen (z.B. unter Schaukeln) geprüft und das Material auf Verdichtungen untersucht. Bei Fallschutzplatten oder fugenlosen EPDM-Belägen wird der allgemeine Zustand auf Risse, Löcher oder aufstehende Kanten kontrolliert, die eine Stolpergefahr darstellen könnten.
Der entscheidende Unterschied zur Sichtkontrolle
Erinnern Sie sich an die Aussage aus unserem letzten Beitrag? "Aber es schadet ja nicht, auch mal am Gestell zu rütteln!" Bei der Sichtkontrolle ist genau das nicht vorgesehen. Bei der Funktionskontrolle ist es unerlässlich.
- Sichtkontrolle: Rein visuell. Fokus auf Offensichtliches (Scherben, Vandalismus, grobe Defekte).
- Funktionskontrolle: Physisch und funktionell. Fokus auf Verschleiss, Stabilität und versteckte Mängel durch Testen und Krafteinsatz.
Beide Inspektionen sind nicht austauschbar, sondern ergänzen sich zu einem lückenlosen Sicherheitskonzept.
Vorgehen bei kritischen Mängeln
Wird bei der Funktionskontrolle ein kritischer Mangel festgestellt – also eine Gefahr, die zu schweren Unfällen führen kann – sind sofortige Massnahmen zwingend:
- Sofortige Sperrung: Das defekte Gerät muss umgehend für die Nutzung gesperrt werden. Dies geschieht am wirksamsten durch Demontage des gefährlichen Teils (z.B. Aushängen des Schaukelsitzes), Fixierung oder eine robuste Umzäunung.
- Umgehende Information: Der Betreiber ist unverzüglich über den Mangel und die getroffenen Massnahmen zu informieren, um die Reparatur zu veranlassen.
- Lückenlose Dokumentation: Der kritische Befund und die Sperrung werden für die rechtliche Absicherung präzise im Inspektionsbericht festgehalten.
Wie oft sollte eine Funktionskontrolle durchgeführt werden?
Für die operative Funktionskontrolle empfiehlt die Norm SN EN 1176-7 ein Intervall von ein bis drei Monaten. Die genaue Frequenz innerhalb dieses Rahmens richtet sich nach der Nutzungsintensität des Spielplatzes, den lokalen Gegebenheiten und der Anfälligkeit der Geräte für Verschleiss und Vandalismus.
Ein entscheidender, oft unterschätzter Faktor ist die Anleitung des Herstellers. Diese muss vorliegen und enthält wichtige, spezifische Vorgaben zur Wartung und zur empfohlenen Häufigkeit der Funktionskontrollen für die jeweiligen Bauteile wie Gelenke, Lager oder Ketten.
Die Festlegung des genauen Intervalls ist eine verantwortungsvolle Aufgabe des Betreibers. Sie sollte sich an den Herstellerangaben sowie den Erfahrungen mit der tatsächlichen Abnutzung der spezifischen Anlage orientieren, um die Sicherheit dauerhaft zu gewährleisten.
Wer darf den Kraftakt vollbringen?
Die Anforderungen an eine Person, die eine operative Inspektion durchführt, sind höher als bei der reinen Sichtkontrolle. Eine oberflächliche Einweisung genügt nicht. Der Prüfer muss über ein fundiertes technisches Verständnis für die Mechanik der Geräte, für Materialeigenschaften und typische Verschleissmuster verfügen. Eine nachgewiesene Sachkunde, beispielsweise durch eine entsprechende Schulung, ist hier essenziell.
Tipp: Die operative Inspektion erfordert spezifisches Fachwissen. Wir unterstützen Sie dabei auf zwei Wegen: Entweder durch die direkte Durchführung der Inspektion durch unsere zertifizierten Experten oder durch die gezielte Schulung Ihrer Mitarbeiter zu sachkundigen Personen. Kontaktieren Sie uns für eine Beratung!
Fazit
Die Funktionskontrolle ist der Beweis, dass Spielplatzsicherheit harte Arbeit ist. Sie stellt sicher , dass ein Spielgerät nicht nur heute sicher aussieht, sondern auch den Belastungen von morgen standhält. Indem Sie als Betreiber diese handfeste Prüfung ernst nehmen und regelmässig durchführen lassen, schützen Sie nicht nur die Kinder vor schweren Unfällen, sondern sichern auch den Wert und die Langlebigkeit Ihrer Anlage. Denn wahre Sicherheit liegt oft eine Handbreit tiefer als das, was das Auge sieht.